Geschäftsbericht
2023
Zusammenwachsen und voranschreiten: Ein Jahresrückblick
Zusammenwachsen und voranschreiten: Ein Jahresrückblick
Medizinische Meilensteine und Patientenzufriedenheit
Wir konnten wichtige Etappen erreichen mit der Bildung einer interdisziplinären Notfallstation unter dualer ärztlicher und pflegerischer Führung, wodurch schneller auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten und Mitarbeitenden eingegangen werden kann. Die Palliativ-Abteilung konnte eröffnet werden. Sie deckt ein Bedürfnis in der Behandlung unheilbarer Krankheiten ab, was Patientinnen und Patienten und Angehörige sehr schätzen. Die Geriatrie-Abteilung wurde auf 19 bis 20 Betten vergrössert. Auch hier kann fokussiert auf die spezifischen Bedürfnisse des älter werdenden Menschen eingegangen und die Rückkehr in die bisherige oder den Übertritt in die nächste Wohn- und Lebenssituation kompetent vorbereitet werden. Die operativen (schneidenden) Bereiche zeigten eine unverändert hohe Anzahl Operationen mit 6555 Eingriffen. Bemerkenswert ist deren ambulanter Anteil mit 34,1%, was auch dem Entwicklungswunsch des Regierungsrates entspricht. Die Befolgung dieses Auftrags zeigt sich auch in den steigenden Fallzahlen in den ambulanten, teils auch interventionellen Tätigkeiten der Pneumologie, Kardiologie, Gastroenterologie und Endokrinologie sowie in der Medizinischen Tagesklinik für komplexe internistische Abklärungen oder Behandlungen. Besonders freut uns auch das nach wie vor grosse Vertrauen unserer Patientinnen und Patienten. Ein Anteil von 98% beurteilte ihre Zufriedenheit mit dem Spital Uster mit gut bis sehr gut.
Führung im Wandel
Herausfordernd war die enge Führung zur Verbesserung unseres Unternehmensergebnisses und zur Reduktion der Fallkosten. Aktiv muss laufend die Anzahl der eingesetzten Mitarbeitenden dem wechselhaften Aufkommen von Patientinnen und Patienten angepasst werden. Hier mussten wir Einschnitte vornehmen und lernen wöchentlich bis gar täglich Einfluss zu nehmen. Mein Vorgänger Andreas Greulich wählte Ende Oktober eine neue Aufgabe an einer Privatklinik im Kanton Baselland, sodass ich interimistisch die CEO-Funktion übernehmen durfte. Ich danke ihm für die geleisteten Arbeiten und dem Verwaltungsrat für das in mich gesetzte Vertrauen. Wir durften über das ganze Jahr auf die Zuversicht und den Einsatz unserer Mitarbeitenden zählen, was den guten Geist des Hauses verstärkte.
Herausforderungen, Vertrauen und Ausblick
Es gelang uns, die Ablösung der Unternehmenskredite zu erreichen und den Banken und den Behördenvertretern aufzuzeigen, dass die Spital Uster AG mit Konstanz ihr Betriebs- und Unternehmensergebnis verbessert. Diese Aufklärungsarbeit war intensiv und zog sich bis zu den Abstimmungen im März 2024. Im Dezember 2023 zollte uns die Aktionärsgemeinde Fehraltorf als erste Vertrauen mit ihrer Zustimmung zur überlebenswichtigen Aktienkapitalerhöhung der Spital Uster AG.
Mit dem Vertrauen der Patientinnen und Patienten, der Mitarbeitenden und der Behörden gelang uns im 2023 die Weiterentwicklung und das Fortschreiten in der wirtschaftlichen Gesundung der Spital Uster AG. Ich möchte allen hierfür herzlich danken und freue mich, auch im 2024 auf sie zählen zu dürfen.
Das Spital Uster schlägt ein neues Kapitel auf
Das Spital Uster schlägt ein neues Kapitel auf
Im Interview vor einem Jahr wünschtest du dir für das Spital Uster eine gesicherte Finanzierung.
Genau. Dieser Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Wir mussten uns aber mächtig dafür anstrengen.
Wenn du das letzte Jahr mit einem Wort beschreiben müsstest, welches wäre es und warum?
Verrückt! Immer mehr Spitäler schreiben Verluste und das Vertrauen von Geldgebern ins Gesundheitswesen nimmt ab. Eine schwierige Ausgangslage, wenn man Kredite bei Banken erhalten möchte, aber keine Strategie vorliegt und zusätzlich langfristige Darlehen abgelöst werden müssen. Auch der Weggang von CEO Andreas Greulich mitten in der Aktienkapitalerhöhung war nicht einfach.
Mit Dr. med. Vital Schreiber als CEO a. i. konnte eine gute Lösung gefunden werden?
Absolut. Ein Glücksfall. Er kennt das Spital und ist ihm sehr verbunden. Ausserdem geniesst er bei den Mitarbeitenden grosses Vertrauen. Eine gute Lösung – auch wenn für ihn natürlich ausserordentlich arbeitsintensiv. Er hat seine Arbeit bis jetzt hervorragend gemacht.
Wenn du auf die Aktienkapitalerhöhung zurückblickst, welches Ereignis oder welcher Moment war für dich der bedeutendste?
Der 18. Januar 2023. Dann fand das erste Treffen mit den Vertretern unserer Aktionärsgemeinden statt. Wir mussten sie vor die vollendete Tatsache stellen, dass wir unterkapitalisiert in die Aktiengesellschaft gestartet sind, mit einer Eigenkapitalquote von rund 13 % mit den Banken keine strategische Finanzierung angehen können und nun als erstes eine Kapitalerhöhung anvisiert werden muss. Die Stimmung unter den Aktionärsvertretern war mehr als schlecht. Aus unserer Sicht natürlich nachvollziehbar.
Immerhin musstest du als neue Verwaltungsratspräsidentin nicht für die Versäumnisse der vergangenen Jahre gradestehen.
Im ersten Moment war das sekundär. Ich war ja die Person, die ihnen die schlechten Botschaften überbringen musste. Da wird man automatisch zur Zielscheibe. Im weiteren Verlauf der Gespräche war es aber bestimmt von Vorteil, dass ich eine Neubesetzung war. Die Vergangenheit lässt sich zwar nicht verändern, aber die Zukunft gemeinsam neu schreiben.
Dr. med. Sacha Geier, Verwaltungsratspräsidentin Spital Uster AG
Ich gehe davon aus, dass der freudvollste Moment während der Aktienkapitalerhöhung der Ausgang der Urnenabstimmung am 3. März war. Ist das korrekt?
Definitiv. Als um 15.30 Uhr die letzten offiziellen Resultate eintrafen und feststand, dass alle grossen Gemeinden und Städte der Kapitalerhöhung zugestimmt haben, fiel mir ein Stein vom Herzen. Gleichzeitig wussten wir: Überstanden ist noch nichts. Das war erst in Wildberg der Fall, wo sämtliche Anwesenden einstimmig ihr Ja aussprachen.
Welche persönlichen Lehren hast du aus dem letzten Jahr gezogen, die du gerne mit anderen teilen möchtest?
Wenn man den inneren Glauben an eine Sache nicht verliert und seine Hausaufgaben gut macht, dann kommt es auch gut. Und: Ein starkes Team ermöglichst selbst unter widrigsten Bedingungen das Meistern grosser Herausforderungen.
Worauf liegt im Spital Uster nun primär der Fokus?
Auf der strategischen Entwicklung des Spitals, mit Fokus auf die Digitalisierung und Automatisierung, um die Effizienz und Effektivität in allen Bereichen unseres Spitals zu steigern. Ziel ist es, gute operative Ergebnisse zu erzielen, damit wir zukünftig auch in die Ambulantisierung, Endoskopie und Notfallstation investieren können.
Wie stellst du dir das Spital Uster in einer idealen Zukunft vor?
Als einen Gesundheitshub, der als Drehscheibe verschiedene Akteure, Ressourcen und Dienstleistungen miteinander vernetzt. Ich sehe das Spital Uster als Teil eines regionalen Verbundes in Kooperation mit Partnern, die hochspezialisierte Medizin anbieten. Die Patientin oder der Patient hat mit dem Spital Uster einen kompetenten Ansprechpartner und ist in allen Lebenslagen bestmöglich betreut.
Was motiviert dich jeden Tag, dich für das Spital Uster einzusetzen?
Wenn ich die Mitarbeitenden hier erlebe. Sie haben Humor, Schalk und Resilienz. Sie stehen füreinander ein und können sich gemeinsam für eine Sache starkmachen. Das motiviert.
Was sind deine Worte an die Mitarbeitenden des Spitals Uster nach dem intensiven Jahr 2023?
Danke für euer Vertrauen. Danke, dass ihr diese unsicheren Zeiten mit uns durchgestanden und sie ausgehalten habt. Danke für euren enormen Arbeitseinsatz, der zu einem positiven Jahresergebnis geführt hat. Und danke, dass ihr nun die Extrameile mitgeht in diesem wichtigen Jahr 2024, in welchem wir von der Gesundheitsdirektion gemessen werden.
Was sind deine Worte an die Bevölkerung in unseren Trägergemeinden, die sich so vehement hinter ihr Spital gestellt haben?
Auch hier: Ein grosses Dankeschön für das Vertrauen, das wir ungemein schätzen. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und werden die strategische Weiterentwicklung nun möglichst schnell vorantreiben.
Interview: Sarah Buob
Finanzen
2023 konnten wir endlich wieder einen Gewinn erzielen. Ausserdem ist mit der Zustimmung der Aktionärsgemeinden zur Aktienkapitalerhöhung die Basis für das langfristige finanzielle Bestehen des Spitals Uster gegeben. Beides stimmt uns für die Zukunft positiv.
Zur JahresrechnungStatistiken
Tauchen Sie ein in unsere Patientenstatistiken, um zu erfahren, wieviele Menschen wir weshalb und wie lange betreuen. Interessieren Sie sich für das «Wer» hinter den Kulissen? Dazu bieten Ihnen unsere Mitarbeitendendaten spannende Einblicke!
Zu den ZahlenHöhepunkte
Die Eröffnung unserer Palliativstation für sterbenskranke Menschen, Kooperationen mit dem Universitätsspital Zürich und der Hirslanden Klinik sowie unser neues Veranstaltungsformat «Gesundheitsforum» für die interessierte Öffentlichkeit – einige der Highlights des 2023.
Zu den HighlightsVielseitig. Unterstützend. Familiär.
Geschichten
Gemeinsam gegen Krebs: Eine Brücke zwischen Uster und Zürich
Gemeinsam gegen Krebs: Eine Brücke zwischen Uster und Zürich
PD Dr. med. Ahmed El-Balat hat zwei Hüte auf – seit gut einem Jahr arbeitet er neben seiner Funktion als Chefarzt Frauenklinik am Spital Uster auch als Leitender Arzt in der Klinik für Gynäkologie am Universitätsspital Zürich (USZ). Er sorgt dafür, dass seine Patientinnen von der Krebsdiagnose über die Behandlung bis zur Rehabilitation nicht nur nahtlos und möglichst wohnortnah, sondern auch hochspezialisiert betreut werden. «Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Überlebenschancen bei gynäkologischen Krebserkrankungen besser sind, wenn eine Patientin in der Stadt lebt», erläutert der Chefarzt der Frauenklinik am Spital Uster. Grund dafür: In Ballungszentren sind hochspezialisierte Zentrumsspitäler angesiedelt – zum Beispiel die Klinik für Gynäkologie am USZ, wo Fachärztinnen und -ärzte ihre umfangreichen Erfahrungen vereinen. Dort bietet sich den Patientinnen auch die Möglichkeit, an klinischen Studien teilzunehmen und von neuesten medizinischen Behandlungsansätzen zu profitieren.
Dr. med. Ahmed El-Balat ist Chefarzt Frauenklinik am Spital Uster.
Betreuung in vertrauter Umgebung
Ahmed El-Balat, der vor seiner Anstellung am Spital Uster langjährige Erfahrung in verschiedenen Krebszentren in Deutschland gesammelt hat, freut sich, dass er heute seine Expertise an zwei Standorten einbringen darf. «Das setzt grosses gegenseitiges Vertrauen voraus», sagt er. Dank der Kooperation mit dem USZ treibt der Gynäko-Onkologe nicht nur seine persönliche Entwicklung voran, sondern bringt das onkologische Konzept des Zentrumsspitals in Uster ein. Der Nutzen für seine Patientinnen, die an einer Krebserkrankung des Genitals oder der Brust leiden, ist gross.
Wird eine Patientin mit Symptomen oder einer Diagnose ans Spital Uster überwiesen, werden hier weitere Untersuchungen gemacht. «Eine Krebsdiagnose ist wahnsinnig belastend. Halt und Wärme durch die Familie und eine vertraute Umgebung sind wichtig», erzählt der Chefarzt. Um die Ressourcen der Patientin zu schonen, werden alle Abklärungen wohnortnah und möglichst im ambulanten Rahmen durchgeführt.
«Eine Krebsdiagnose ist belastend. Halt und Wärme durch die Familie und eine vertraute Umgebung sind wichtig.»
Nahtloser Patientenpfad
Am Spital Uster erhalten Patientinnen alle medizinischen Leistungen wie Untersuchung, Biopsie-Entnahme, Bildgebung, Diagnosestellung sowie Besprechung und Vorstellung am interdisziplinären Tumorboard. Es werden nicht nur Wartezeiten bei präoperativen Konsultationen, sondern auch unnötige Besuche im Zentrumsspital vermieden. Meist findet nur die Operation am USZ statt. Auch hier ist die Arbeit zwischen den beiden Spitälern eng verwoben: PD Dr. med. Ahmed El-Balat operiert einmal wöchentlich in Zürich. Er hat vollen Zugriff auf den Operationsplan und kann die Ustermer Patientinnen direkt anmelden. «Sie freuen sich, nach der Operation ein bekanntes Gesicht zu sehen», sagt der Gynäkologe, der die Frauen danach bei weiteren Behandlungen und etwaigen Rehabilitationsmassnahmen wieder wohnortnah im Spital Uster betreut.
Welche Bilanz zieht Ahmed El-Balat nach einem Jahr Tätigkeit an zwei Häusern? «Ich wurde am USZ herzlich aufgenommen, konnte mein Netzwerk vergrössern und erlebe die Zusatzaufgabe als grosse Bereicherung.» Dem Gynäko-Onkologen gehe es jedoch in erster Linie darum, Menschen in hoffnungslosen Situationen zu helfen. Er ergänzt: «Die gemeinsame Reise, eine Krebserkrankung zu bekämpfen, ist oft emotional berührend – auch für mich.»
Text: Rebecca Blatter
Ein Lichtblick im Schatten des Abschieds
Ein Lichtblick im Schatten des Abschieds
Wie startete deine berufliche Laufbahn am Spital Uster?
Seit meinem Ausbildungsabschluss im Jahr 1992 bin ich als Pflegefachfrau im Spital Uster tätig. Ich arbeitete nicht lange Vollzeit, da ich früh heiratete und vier Kinder bekam. Trotz der familiären Verpflichtungen unterbrach ich meine berufliche Laufbahn nie, war jedoch über viele Jahre hinweg nur niedrigprozentig angestellt. Einmal pro Monat kümmerte sich meine Mutter um die Kinder und ich konnte einige Tage am Stück arbeiten. Das war für mich ein willkommener Ausgleich. Mein Arbeitspensum erhöhte ich nach dem frühen Tod meines Mannes.
Möchtest du davon erzählen?
Mein Mann starb an Bauchspeicheldrüsenkrebs als unsere jüngste Tochter gerade mal 11 Jahre alt war. Die Diagnose hatte er vier Jahre zuvor erhalten. Wir hatten also noch vier geschenkte Jahre zusammen.
Du wurdest zur Alleinerziehenden mit vier Kindern …
Ja. Glücklicherweise hatte ich immer gearbeitet und konnte daran anknüpfen. Ich hatte eine super Vorgesetzte, die mir enorm entgegenkam. Sie entband mich beispielsweise von den Nachtschichten, die ich als Alleinerziehende nicht hätte stemmen können. So kam es, dass ich dem Spital Uster treu blieb und mein Engagement stets ausbaute.
In der «Stubä» auf der Palliativstation.
Inzwischen bist du vorwiegend als Pflegefachfrau auf der Palliativstation tätig.
Es hat mir schon immer viel Freude bereitet, für kranke Menschen da zu sein. Aber tatsächlich schlägt mein Herz für die Palliative Care am stärksten. Das mag mit meiner Lebensgeschichte zu tun haben. Ich bin sensibel für die Themen rund um den Tod und habe keine Berührungsängste. Natürlich hat mich auch der interdisziplinäre Lehrgang für Palliative Care, den ich berufsbegleitend besucht habe, Vieles gelehrt. Ich konnte neben dem Symptommanagement auch psychosoziale Kompetenzen erwerben und mich mit existenziellen Aspekten, Ethik und der Kultur des Abschieds auseinandersetzen. Das theoretische Wissen ist das eine, das Gespür für den Menschen das andere.
Im 2023 wurde am Spital Uster die Palliativstation eröffnet. Wie hat sich deine Arbeit seither verändert?
Zum Positiven! (lacht) Sterbenskranke Menschen betreuten wir ja schon zuvor. Wir hatten aber weniger Zeit für sie. Der Betreuungsschlüssel auf der Station ist normalerweise 1:8, sprich: auf eine diplomierte Pflegefachfrau kommen acht Patientinnen und Patienten. Der zusehends stressige Pflegealltag macht es schwierig, sich Zeit für den Einzelnen zu nehmen. Genau das benötigt aber ein sterbenskranker Mensch: jemanden, der ihm zuhört und ihm Gutes tut. Versuche das mal, wenn du dabei das Gefühl hast, gleichzeitig auch noch woanders sein zu müssen.
Und das ist jetzt anders?
Ja. Denn auf der Palliativstation ist der Betreuungsschlüssel anders. Hier sind wir für vier Patientinnen und Patienten gleichzeitig zuständig. Das gibt uns Raum, diejenige Pflege zu bieten, die der Situation angemessen ist. Das macht die Arbeit für mich umso schöner.
Ein Notfallknopf gibt Sicherheit.
Welches sind zentrale Fragen im letzten Lebensabschnitt?
Wenn der Tod unausweichlich wird, dann wird es spätestens Zeit, sich zu überlegen, was wichtig ist. Das ist ein Prozess, der bei uns auf der Palliative Care angestossen wird. Er bezieht die Angehörigen, die leider gerne etwas vergessen gehen, stark ein. Oft liegt der Fokus auf der kranken Person. Für sie stellt der Tod eine Lebenskrise dar. Aber für die Angehörigen gilt das Gleiche. Der nahestehende Verlust ist auch eine Krisensituation und bedarf der Aufklärung und Begleitung. Es hilft den Angehörigen, die kommenden Schritte im Sterbeprozess zu kennen. Oder zu erfahren, dass sie mitbestimmen können und ihre Ängste und Wünsche ernstgenommen werden.
Was beinhaltet das Angebot der Palliative Care?
Unser Angebot ist breit. Es reicht von der individuellen Pflege und Betreuung über die Physiotherapie bis hin zur Seelsorge und Musiktherapie. Unsere Patientinnen und Patienten haben immer die Wahl. Sie dürfen alles, müssen aber nichts. Sie können jederzeit ihre Wünsche äussern und wir versuchen sie ihnen zu erfüllen. Das kann ein Lieblingsessen sein, eine Fussmassage oder auch etwas Aussergewöhnlicheres wie eine Mundpflege mit Bier. Wichtig ist uns, dass der Mensch in Würde seinen letzten Lebensabschnitt begehen kann.
Kannst du eine Erfahrung mit uns teilen, die aufzeigt, was ihr euren Patientinnen und Patienten bietet?
Gerne. Kürzlich lag eine Frau im Sterben. Ihre Tochter sass auf einem Stuhl neben dem Bett und versuchte sie zu umarmen. Ich machte sie darauf aufmerksam, dass sie sich – falls sie das wolle – gerne ins Bett zu ihrer Mutter legen könne, was sie bejahte. Die Mutter starb in inniger Umarmung mit ihrer Tochter, die noch Stunden bei ihr liegen blieb. Diesen Raum, bewusst voneinander Abschied nehmen zu können, bieten wir. Oft wird er dankend angenommen. Aus eigener Erfahrung weiss ich, wie wertvoll die Stunden nach dem Tod sind. Sie helfen zu realisieren, dass da nur noch eine Hülle liegt und nicht mehr der geliebte Mensch. Das hilft, ihn loszulassen.
Interview: Sarah Buob
Spitalbetrieb heute: Generationen im Gespräch
Spitalbetrieb heute: Generationen im Gespräch
Dina und Zoe: Wieso habt ihr euch für das Spital Uster als Weiterbildungsstätte entschieden?
Zoe Tuor: Wegen seiner Grösse. Das Spital Uster ist gross genug, dass es Spezialisierungen anbietet, aber gleichzeitig klein genug, dass es überschaubar bleibt und man sich gegenseitig kennt.
Dina Bigler: Bei mir waren die Argumente ähnlich. Die Weiterbildung im Spital Uster fällt unter die Kategorie A, bietet also ein strukturiertes und fundiertes Weiterbildungsprogramm auf hohem Niveau. Ausserdem überzeugte mich die Spidermap. Es handelt sich dabei um die Analyse einer jährlichen Umfrage unter Assistenzärztinnen und Assistenzärzten zu Themen wie Qualität, Wissenschaftsnähe, Gesamtstimmung und ähnlichem.
Daniel: Welche Rolle spielen Assistenzärzt*innen im Spitalalltag und wie werden sie von euch unterstützt?
Daniel Franzen: Assistenzärzt*innen sind im Spitalalltag äusserst wichtig. Ohne sie würde ein Spital nicht funktionieren. Direkt nach dem Staatsexamen bedürfen sie einer engen Begleitung. Nicht nur die Arbeit am Patientenbett ist für sie neu, sondern der Spitalbetrieb generell sowie die vielen administrativen Arbeiten, die sie übernehmen müssen. Neben der fachlichen Betreuung ist es auch die Aufgabe der Vorgesetzten, dafür zu sorgen, dass die Zusammenarbeit aus einem guten Gleichgewicht von Nehmen und Geben geprägt ist. Sprich: dass unbeliebte Administrationsarbeiten nicht Überhand nehmen.
Um welche administrativen Arbeiten handelt es sich?
Dina Bigler: Um sämtliche Arbeiten rund um Eintritt und Austritt der Patientinnen und Patienten. Wir holen medizinische Vorgeschichten ein, tragen Laborberichte oder radiologische Untersuchungen zusammen, machen Einträge auf der Visite, dokumentieren die Krankengeschichte, schreiben Briefe und so weiter.
Der Arztberuf ist mit einer romantischen Vorstellung verknüpft. Er symbolisiert nicht nur eine Karriere, sondern auch eine Berufung, bei der das Wohl des Menschen im Mittelpunkt steht. Wird dieses Bild der Realität gerecht?
Zoe Tuor: Das Studium ist sehr theoretisch. Man merkt erst beim Einstieg in den Spitalalltag, was der Beruf tatsächlich beinhaltet. Eine gewisse Ernüchterung tritt schon ein, wenn man die Hälfte bis zwei Drittel der Arbeitszeit am Computer verbringt.
Dina Bigler: Die romantische Vorstellung von der Ärztin am Patientenbett wird dem Berufsbild nicht gerecht. Tatsächlich befinden wir uns physisch eher selten direkt am Menschen, es sei denn, wir arbeiten auf der Notfallstation.
Wie beurteilst du diese Ernüchterung, Daniel?
Daniel Franzen: Wenn die Assistenzärztinnen und -ärzte mit der Weiterbildung am Spital starten, dann sind sie – vor allem in der Inneren Medizin – erstmals sehr gefordert bis überfordert. Ein Spital ist ein hochkomplexes Unternehmen. Darauf wird im Studium nicht vorbereitet. Es fehlen auch Grundkenntnisse, wie ein Spital funktioniert. Das bedeutet, dass sich die jungen Menschen auf verschiedenen Ebenen erst einarbeiten und den Überblick gewinnen müssen. Das dauert seine Zeit.
Könnt ihr das bestätigen?
Beide: Ja. Das Studium bereitet nicht wirklich auf den Spitalalltag vor.
Wo seht ihr Verbesserungspotential?
Daniel Franzen: Man sollte anfangs Medizinstudium voraussetzen können, dass Kenntnisse in Biologie und Physik ausreichend durch die Gymnasien abgedeckt worden sind. Dann könnte man sofort mit dem Studium der Anatomie loslegen und es würde Zeit bleiben zum Erlernen von administrativen Abläufen sowie Grundkenntnissen in der Gesundheitsökonomie – beispielsweise durch Praktika im letzten Ausbildungsjahr.
Prof. Dr. med. Daniel Franzen im Austausch mit den beiden Assitenzärztinnen Dina Bigler und Zoe Tuor.
Dina und Zoe: Wie sieht für euch die ideale Unterstützung durch erfahrene Ärztinnen und Ärzte aus?
Zoe Tuor: Ich erwarte dort Unterstützung, wo ich mich nicht sattelfest fühle. Mein Ziel ist es, dass ich nach einem Arbeitstag nach Hause gehe und das Gefühl mitnehme, wieder etwas Neues dazugelernt zu haben.
Dina Bigler: Und darüber hinaus natürlich das Gefühl zu haben, die Patientinnen und Patienten nach bestem Wissen und Gewissen betreut zu haben. Das setzt voraus, dass man wichtige offene Anliegen bei Arbeitsschluss mit Kaderärzten diskutieren kann.
Daniel: Welche Philosophie verfolgst du bei der Weiterbildung junger Ärztinnen und Ärzte an deiner Klinik?
Daniel Franzen: Meine Philosophie ist es, so weit zu unterstützen wie nötig. Es ist immer ein besonderer Moment, wenn die jungen Ärztinnen und Ärzte beginnen, aktiv mitzudenken. Dann übergebe ich gerne Verantwortung. Dazu müssen jedoch erst die Anfangshürden überwunden werden. Das bedeutet auch, zu verstehen, wie das Konstrukt Spital funktioniert. Das erachte ich als eminent wichtig. Unsere Assistenzärztinnen und -ärzte erwerben deshalb im ersten Weiterbildungsjahr Kenntnisse zur Gesundheitsökonomie.
Hat sich die Assistenzzeit im Vergleich zu früher verändert?
Daniel Franzen: Definitiv. Die Hierarchien sind flacher. Man begegnet sich heute über alle Stufen hinweg auf Augenhöhe. Früher haben wir uns kaum getraut, unsere Meinung zu sagen. Heute wird eigentlich erwartet, dass sich die Jungen einbringen und kritisch hinterfragen.
Dina und Zoe: Getraut ihr euch das auch?
Beide: Ja, schon. Wir haben keine Hemmungen, uns einzubringen.
Zoe Tuor: Die Kommunikation ist in unserem Beruf mega zentral. Wir sind von morgens bis abends permanent im Austausch mit Menschen – und zwar über alle Berufsgruppen hinweg. Da ist es enorm wichtig, dass man offen miteinander sprechen kann.
Hat sich die Arbeitslast verändert in den letzten zwanzig Jahren?
Daniel Franzen: Schon zu unseren Zeiten gab es die 50-Stunden-Woche. Es nahm sie nur niemand ernst. Aber tatsächlich hat sich in dieser Hinsicht nicht enorm viel verändert.
Dina Bigler: Das Einhalten der Arbeitszeiten ist auf Abteilungen mit Schichtbetrieb gut möglich. Auf der Station hingegen sieht die Realität mitunter anders aus. Da kommt es immer noch vor, dass wir bis zu 14 Stunden am Stück durcharbeiten.
Zoe Tuor: Genau. Da muss sich in Zukunft wirklich etwas ändern. Die Arbeitslast ist teilweise so extrem, dass gewisse Kolleginnen und Kollegen schon wieder ans Aufhören denken.
Wo liegen die Probleme?
Daniel Franzen: Die Patientinnen und Patienten sind anspruchsvoller geworden. Sie sind nicht nur informierter als früher, sie fordern auch sofortige Dienstleistungen oder drohen mit juristischen Konsequenzen. Das ist einer der Gründe für den heutigen Dokumentationswahn. Wir dokumentieren auch, um uns abzusichern. Kommt hinzu, dass die Digitalisierung mit diesen Anforderungen nicht Schritt halten konnte. Noch immer hantieren wir mit viel Papier und das elektronische Patientendossier ist nach wie vor Zukunftsmusik.
Daniel: Was rätst du jüngeren Ärztinnen und Ärzten zur Stressbewältigung im Beruf?
Daniel Franzen: Den Spass an der Medizin nicht zu verlieren. Es ist immer noch der schönste Beruf, den man sich aussuchen kann. Mein Ziel als Lehrender ist es, den Fokus stets auf die Medizin zu setzen, Wissen zu vermitteln und selbst ein Vorbild zu sein, indem ich positiv bleibe. Menschen vertrauen uns ihr Wohl und ihre Gesundheit an. Damit müssen wir sorgsam umgehen.
Dina und Zoe: Wenn ihr jüngeren Menschen einen Rat geben könntet, die eine medizinische Ausbildung beginnen möchten, welcher wäre es?
Dina Bigler: Man sollte sich bewusst sein, dass man nicht nur nah am Menschen arbeitet, sondern viel Zeit mit anderem verbringt. Es bleibt jedoch die Hoffnung, dass sich diesbezüglich etwas zum Besseren wenden wird.
Zoe Tuor: Auch ich bin der Meinung, dass sich etwas verändern muss, damit der Beruf attraktiv bleibt. Was wir uns jedoch nie zu fragen brauchen: Was ist der Sinn dahinter? Wir erleben in unserem Beruf eine hohe Befriedigung, die einzigartig ist und Antrieb gibt, dranzubleiben.
Gespräch: Sarah Buob